Was hat es auf sich mit Frühling und putzen? Sobald wir ein paar sonnige, etwas wärmere Tage haben, verfällt die Schweizer Bevölkerung in einen Sauberkeitsfimmel. Beachte dabei, dass wir sowieso bereits den Ruf eines überaus reinlichen Landes haben. Umso törichter erscheint dann so ein Frühjahrsputzwahn. Es ist eigentlich eine Epidemie, die sich wahrscheinlich über ganz Europa und weitere Teile der Welt ausbreitet. Dieses Gefühl hatte ich in Australien nie. In einem Staat, wo sich der Frühling nicht gross von den anderen Jahreszeiten unterscheidet – wo ich den Herbst sogar so blühend schön fand wie den Frühling – trifft es einen offensichtlich nicht so überraschend wie hier.

Du weisst, dass du dir den Frühjahrsputzwahn eingefangen hast, wenn du eigentlich ausschlafen könntest, du aber aufstehen musst – ohne besonderen Grund abgesehen von deiner Rastlosigkeit, die du dir nicht erklären kannst. Nachdem du aufgestanden bist, greifen dich Dreck und Zeichen von Unordentlichkeit von allen möglichen Seiten an und dies ist der Zeitpunkt, wo du weisst, dass du dich angesteckt hast. Tatsächlich bist du bis dann bereits zu sehr im Delirium, um es zu bemerken.

Es traf mich heute Morgen. Also fing ich an, die Taschen voll Recyclingzeugs zusammen zu tragen, fuhr zum Recycling Platz, leerte sie, wanderte durch das Haus und sammelte allen anderen Müll und trug drei volle Kehrichtsäcke zu den dafür bestimmten Containern. Ich fühlte mich grossartig! Ich muss allerdings zugeben, dass ich nicht die prädestinierte Frühjahrsputzerin bin. Während ich Sack um Sack von Büchsen, Gläsern und Flaschen leerte, hatte ich zuviel Zeit zum Denken. Also wurde ich abgelenkt von all den anderen spassigen Dingen, die ich statt dessen machen könnte. So endete ich vor dem PC um diesen Artikel zu schreiben.

Aber weshalb fühlen sich die Menschen so? Es scheint nur natürlich zu sein, dass du mit ein bisschen Sonne nach einer langen Periode von grauen, nassen, kalten Tagen das Gefühl hast, ein neues Jahr sei geboren. (Wer auch immer entschied, dass der 1. Januar (Mitten im Winter) der Jahresanfang sein soll, war nicht vertraut mit diesem natürlichen Phänomen. (Das waren übrigens die Römer – und wir wissen, dass ein bisschen zuviel Blei in ihrem Wein und ein bisschen zuviel sich durch die Betten der eigenen Schwestern schlafen ihren Verstand leicht veränderte.)) Wie auch immer, trotz unserem römischen Kalender fängt das innere Neujahr erst wirklich mit ein bisschen Frühlingssonne an. Und das heisst, die alten Sachen loswerden oder sie wenigstens wie neu aussehen lassen. (Der Wahn geht sogar so weit, dass sie nicht mal die Unordentlichkeit beim Nachbarn ertragen können. Wenn ich mir das zwar genau überlege, ist dies ein ganzjähriges Symptom und kann somit nicht unbedingt dem Frühjahrsputzwahn zugeordnet werden.)

Es ist lustig dass man versucht, die Dinge schön und neu aussehen zu lassen, wenn die Frühlingssonne die Macht hat, das sowieso zu tun. So schaute ich heute zum Beispiel meine Schlüssel an. Ein Strahl ungefilterter Frühlingssonne reflektierte sich in ihnen und ich fand sie überwältigend schön. (Vielleicht sollte ich aufhören, Wein aus Zinnbechern zu trinken!) Warum hat ein Strahl der Sommersonne nicht denselben Effekt? (Wir werden die menschliche Fähigkeit sich schnell an Dinge anzupassen – und sie für selbstverständlich zu nehmen – ein Andermal diskutieren.)

Wie gross meine guten Absichten auch waren heute Morgen, erwarte ich doch immer noch verzweifelt unsere Putzfrau, um das eigentliche Putzen zu übernehmen, denn es gibt eine andere Krankheit, die mit dem Frühjahrsputzwahn zusammenfällt. In meinem Fall führte dies zu einem abrupten Ende meines heutigen Enthusiasmus: Frühjahrsmüdigkeit. Eine ausgezeichnete Ausrede um jetzt all die spassigen Dinge zu tun, die ich statt dessen tun könnte…