Vor meiner Zeit als vollwertiges Mitglied der australischen Gesellschaft – sprich: bevor ich einen Fernseher hatte – erwähnte ich mal, dass ich eben keinen solchen besitze. Ich befürchtete schon, ich müsse ein homöopathisches Mittel für Gesichtslähmung suchen, als dann doch noch ein atemloses: „What?!? How can you survive?“ von den blassen Lippen meines Gegenübers kam. Verunsichert durch diese Frage, legte ich mir schlussendlich doch so ein Ding zu. Die kostenlose Leihgabe einer Freundin. Die Antenne, die ich mir dazu anschaffen musste, kostete zwar mehr als der Fernseher selber, doch jetzt empfange ich die fünf kostenlosen nationalen Sender mit einem prächtigen Bild. Dies ist auch wichtig, denn im australisches Fernsehen schreien die Farben nahezu. Tun sie es nicht, tut es eine ausserordentlich laute Stimme: „Harvey Norman’s!!!!! Garden furniture 299 Dollars!!! Sofabeds for only 199 Dollars!!! No deposit!!! Interest free!!! For 12 months!!!!! Come to Harvey Norman’s Furniture Store!!!“ Ich bin sicher, die Zahl der Dezibel wäre in der Schweiz strafbar. Die subtile, artistische Produktwerbung ist leider sehr dünn gesät. Australier sind generell ziemlich direkt, was auch im Fernsehen zum Ausdruck kommt. Dies hat grundsätzlich eine abstossende Wirkung, was bei Harvey Norman’s oder Hardwarehouse Werbungen – die zu allem Übel auch noch alle 10 Minuten zwischen die Filme eingeschoben werden – wahrscheinlich nicht beabsichtigt ist. Doch in anderen Sequenzen ist es sehr erwünscht. So wird zum Beispiel plötzlich eine blutige Hand eingeblendet, die man durch ein Helmvisier betrachtet. Nach einer Weile und einigen gepressten „Help me!“s wurde mir klar, dass ich alles mit den Augen eines verunglückten Motorradfahrers sehe. Die Message am Schluss: „Speeding kills everyday people. Every day!“ Glaubt mir, dies ist definitiv abstossend – und wirkungsvoll!

So abstossend vor allem die häufigen Werbeblöcke aber auch sind, im durchschnittlichen australischen Haushalt läuft der TV dennoch rund um die Uhr. Es spielt keine Rolle, ob überhaupt jemand hinschaut oder nicht. Wo bei anderen Bach und Haydn als Hintergrundakustik eingesetzt werden, dient in Australien der Fernseher. Dies spielt für Australier auch bei einem gemütlichen Dinner nicht eine grosse Rolle, denn sie haben gelernt, dieses Ding einfach zu ignorieren. Ich bin noch nicht so geübt. Das Bild zieht immer wieder magisch meinen Blick an und „Harvey Norman’s“ Geschrei kann ich auch noch nicht so einfach überhören. Es hat allerdings auch einen Vorteil: Peinliche Gesprächspausen gibt es nicht, da sie mit dem Blick zum Fernseher einfach überspielt werden können. Natürlich möchte ich das australische Fernsehen nicht schlecht machen. Schliesslich bin ich ab und zu froh darum, nicht allein in der Stube sitzen zu müssen, sondern den Raum mit den Bewohnern des „Big Brother“ Hauses teilen zu dürfen. Das Beste sind aber die vielen ausländischen Beiträge auf SBS. Da kann ich Filme in schwedisch, japanisch, französisch etc. sehen resp. hören. (Vielleicht kommt ja auch mal „Ueli, de Chnächt“.) Kürzlich schaltete ich in einen holländischen Film und ich dachte, ich könnte etwas holländisch lernen. Ich schaute bis zum Schluss; erfolglos. Der Film muss wohl „De Schtille“ oder so ähnlich geheissen haben… Die haben in einer Stunde ganze 10 Sätze gesprochen! Zum Glück haben sie auf SBS keine Werbeunterbrechungen. Harvey Norman wäre ein zu grosser Kontrast gewesen…