Pollen_VelofahrerEs ist endlich warm, es ist endlich sonnig. Die Blüten blühen, die Fliegen fliegen, und die Velofahrer fahren – ja was wohl – Velo. Ein simples Naturgesetz, dessen erstaunter Zeuge ich heute erneut wurde. Mit Fliegen verglichen zu werden, stösst vielleicht manchem Velobenutzer etwas sauer auf, doch gibt es durchaus Ähnlichkeiten: Gerade nach Kälteperioden kommen sie plötzlich zu Hauf aus allen Löchern, man kann ihnen nicht entkommen, sie bewegen sich teilweise orientierungslos durch die Gegend und sind nervig. Für diejenigen, denen dieser Vergleich nicht passt, entweder weil er hinkt oder weil sie sich persönlich beleidigt fühlen, habe ich einen anderen: Pollen! Dieses Jahr ist wieder eines der Jahre, an welchen wegen der langen Kälte alle Pollen miteinander fliegen. Genauso mit den Velofahrern. Die konnten bisher auch nicht raus, also fliegen sie alle zusammen am ersten schönen, warmen Tag im Jahr aus. Die Strasse war heute nach Feierabend überhäuft von ihnen.

Als Autofahrerin habe ich damit natürlich gewisse Probleme. Gerade städtische Velofahrer kennen da ja kein Pardon. Verkehrsregeln werden grosszügig missachtet. Immerhin musste der gemeine Radler mindestens sechs Monate warten, bis er sich endlich wieder mal aufs Fahrrad schwingen konnte. Da will er sich natürlich nicht bremsen lassen. Mal ganz abgesehen davon, dass sechs Monate genug Zeit sind, alle Verkehrsregeln zu vergessen. Nichtsdestotrotz erstaunt es mich immer wieder, dass das Gesetz des Stärkeren bei den Velofahrern noch weniger wahrgenommen wird als alle anderen Regeln. Wir sind nun mal nicht in Holland! Das Bewusstsein der eigenen Sterblichkeit scheint manchem im Sattel einfach abhanden gekommen zu sein. Allerdings ist das tatsächlich ein ganzjähriges Phänomen. Zurück zu dem, was mich heute überraschte. Es war die schiere Masse. Und so sind wir wieder bei den Pollen. Ich reagiere leicht allergisch, wenn sie gehäuft auftreten. Das liegt unter anderem daran, dass gerade bei den Schönwetter-Feierabendbikern die Gefahr für die Autofahrer noch grösser ist als beim städtischen Alltagsveloraudi. Die hautengen Shirts und Hosen sind daran Schuld. Entweder weil sie enorm ablenken, je nach Figur des Trägers, oder unglaublich blenden, je nach Neongelbton des Tricots. Dies kann schnell mal zu folgendem Text in der Schadensmeldung für die Versicherung führen: „Ich fuhr hinter einem Auto her, vor dem wiederum ein Velo fuhr. Trotz genügend Abstand blendeten mich die grellen Neonklamotten des Velofahrers dermassen, dass ich zur Sonnenbrille greifen musste. Gleichzeitig bremste die Autofahrerin vor mir stark ab, weil sie laut eigenen Angaben den Velofahrer nicht so schnell überholen konnte. Wenn Sie mich fragen, wollte sie ihn nicht überholen, weil der Hintern unter dem blendenden Shirt der eines Adonis‘ war. So landeten ich und mein Auto völlig unschuldig im Heck der hormongesteuerten Lenkerin.“ Gut, die Unfallgefahr durch jemanden, der das Mobiltelefon während des Autofahrens benutzt, ist wahrscheinlich höher als diejenige des oben beschriebenen Szenarios. Allerdings ist nicht auszuschliessen, dass die „hormongesteuerte Lenkerin“ deswegen abgelenkt war, weil sie Adonis‘ Hintern mit dem Smartphone fotografieren wollte – um ihn später mit den Freundinnen auf Facebook zu teilen.

Alles an den Haaren herbeigezogen? Mag sein. Nichtsdestotrotz die Masse von neongelben Radlern ist mir heute entgegengeweht wie oben erwähnte Pollen. Was die Velofahrer (zum Glück) von den Pollen unterscheidet: Sie kleben nicht zu Millionen auf meiner Windschutzscheibe.