Ueberfluss_300„Wollen Sie die Märkli?“ fragt mich die Coop-Kassierin. „Gerne.“ „Und derä Viecher auch?“
Derä Viecher?
Die Kassiererin zeigt mir irgendwelche runden, scheinbar in Pingpongbällen gezüchteten Tierchen, die wohl herzig sein sollen. „Wieder so ein Schrott“, denke ich und ich sehe am Gesichtsausdruck der Kassierin, dass sie genau das Gleiche denkt. Beide drehen wir gleichzeitig den Kopf in Richtung meiner Tochter, schauen uns an und sagen „wohl schon“, beide mit zerknirschtem Gesicht.

Was soll diese Buhlerei der Grossmärkte um unsere Kinder? Warum müssen die überall irgendwelche Gratissachen bekommen, die schlussendlich sowieso nur auf dem Müll landen?
Früher gab es auch schon Geschenke. Das ‚Wurschtrugeli’ beim Metzger zum Beispiel. Das war mein Highlight beim Posten als Kind. Klar, für Veganer und Tierschützer auch etwas, was sie die Zähne knirschen lässt, aber immerhin war es etwas, was sowieso hergestellt worden war und im Magen recycelt werden konnte.
Ja, ich gönne meinem Kind, dass es mal etwas Kleines geschenkt bekommt. Aber unsere Kinder bekommen dauernd etwas geschenkt! Es ist für sie zur Selbstverständlichkeit geworden und schätzen tun sie es schon lange nicht mehr. Bei der einen Osteraktion der Migros hat meine Tochter immerhin sofort dem Vorschlag zugestimmt, den dritten Plüschhasen einem armen Kind zu spenden. Mit dem Resultat, dass sie von anderer Seite nochmal zwei Hasen bekam, weil sie so schön verzichtet hatte.

Früher waren Weihnachten und Geburtstage die Momente, an denen Kinder Geschenke bekamen. Da erinnere ich mich an die Szene im Schellenursli-Film, wo er eine Orange zu Weihnachten bekommt. Ein wahnsinnig seltenes Geschenk, das den Schellenursli über beide Ohren strahlen lässt. So ein Lächeln habe ich bei meiner Tochter das letzte Mal bei einem Geschenk gesehen, als sie ein Jahr alt wurde und sich über die Schachtel ihres Spielzeugs sehr gefreut hat.
Heutzutage sind Geschenke nicht mehr auf diese beiden Feiertage beschränkt. Früher gab’s vom Osterhasen einen Schoggihasen, ein paar selbstgefärbte Eier und mit etwas Glück waren noch ein Geleehase und ein paar Zuckereili dabei – die hoffentlich nicht in so einem dummen Blechei waren, welches von Kinderhänden gar nicht geöffnet werden konnte. Heute bringt der Osterhase nebst drei Schoggihasen und Zuckereili, an die man tatsächlich rankommt, auch Geschenke. Auch der Samichlaus bringt schon lange keine „Nuss und Birä“ mehr. Schon zu meiner Zeit gab es die Luxusvariante davon, nämlich „Erdnuss und Mandarine“, aber heute kommt womöglich noch eine Playstation dazu. Und zwar egal, wie gut oder böse man war übers Jahr. Der Spruch heute müsste heissen: „Sami Niggi Nägg, bhalt doch Nuss und Drägg. Nur d’X-Box chasch mer grad staa laa, dänn tue di au ned zämeschlaa.“

Unsere Kinder sind fordernder geworden; und unersättlich. Eben, weil ein Geschenk nicht mehr dasselbe erfüllte Gefühl und damit verbundene Lächeln erzeugen kann, wie anno dazumal eine Orange. Das Wort „Verzicht“ ist zum Fremdwort geworden. Überfluss herrscht vor und unsere Kinder sind darunter begraben. Ich frage mich, was Schellenursli gemacht hätte, hätte er eine X-Box statt einer Orange bekommen. Vermutlich hätte er sie wütend in die Ecke geschmissen und nach der Orange verlangt. Okay, das wäre vielleicht auch ein bisschen daran gelegen, dass er keinen Strom gehabt hatte.